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Apokalyptische Pyrolyse

Vor 60 Millionen Jahren schlug in Mexiko ein gewaltiger Asteroid ein. In drei apokalyptischen Wellen brachte er Tod und Verderben über den ganzen Planeten. Erst raste ein kilometerhoher Tsunami um die Erde. Danach wurden die Wälder durch herunterprasselnde Himmelsgeschosse abgebrannt. Der aufgrund von Partikel in der Atmosphäre folgende «nukleare Winter» versetzte danach den Planeten über viele Jahre in Temperaturen unter dem Gefrierpunkt. Erst die danach einsetzende Klimaerwärmung aufgrund des hohen CO2 Gehalts in der Atmosphäre brachte die Vielfalt des biologischen Lebens wieder zurück.

Die Feuerstürme vernichteten damals ganze Wälder auf einen Schlag; aufgrund des hohen Sauerstoffgehalts der Atmosphäre selbst die Feuchtvegetation. Hinterlassen wurden mächtige Holzkohlenschichten.1 Die Wiederbelebung der biologischen Natur nach diesem wohl grössten Einschlag der Erdgeschichte gründet damit auch auf dem reichlichen Vorhandensein Pflanzenkohlen basierter Schwarzerde.

Ob die im Amazonas gefundene Terra Preta auch natürlichen Ursprungs ist, oder menschengemacht, darüber wurde in wissenschaftlichen Kreisen lange und lebhaft diskutiert. «Bei der Terra Preta handelt es sich um einen anthropogen überprägten, fruchtbaren Boden, der sich stellenweise aus dem unfruchtbaren Latosol Amazoniens entwickeln konnte. Den Einfluss des Menschen bezeugen die im humosen Oberboden überall zahlreich vorhandenen Keramikreste präkolumbianischer Indianer. Ob allerdings primär die Terra Preta existierte und die Indianer diese Flecken aufgrund ihrer Fruchtbarkeit als Siedlungsplätze bevorzugt auswählten oder andererseits Indianer durch bodenbeeinflussende Massnahmen ihre Siedlungsplätze in Terra Preta umwandelten, steht noch offen»2

Die aktuell favorisierte Theorie, dass diese Böden im Amazonas das Ergebnis menschlichen Handelns in der präkolumbianischen Zeit sind, wird nun in einer 2021 erfolgten Untersuchung der Kohlenstoffdaten durch ein internationales Forscherteam bestritten. „Da die Terra Preta von verschiedenen Wissensbereichen wie Agronomie, Ökologie, Biologie, Archäologie und Forsttechnik untersucht werden, wird diese im Artikel vorgeschlagene Änderung des Verständnisses des Ursprungs dieser Länder auch zu Änderungen in den Theorien beitragen, die auf der menschlichen Kraft basierten, fruchtbare Flecken auf verarmten Böden zu bauen.“

Die Autoren stellen die Hypothese auf, „dass indigene Bevölkerungen ihre Weisheit nutzten, um sich vor Beginn des Plantagenanbaus vorzugsweise in Gebieten mit hoher Fruchtbarkeit zu identifizieren und zu etablieren. Die Möglichkeit impliziert, dass präkolumbianische Gesellschaften die natürlichen Prozesse der Landbildung einzigartiger Eigenschaften der Terra Pretas verstanden und zu ihren Gunsten ausnutzten, aber nicht für ihre Entstehung verantwortlich waren„3

Nichtsdestotrotz können wir Menschen aber durch den Einsatz von menschengemachter Terra Preta den Treibhauseffekt in der Erdatmosphäre stark abmildern, wie die Autoren vom Buch „Terra Preta“ schreiben4. Im Vorwort der englischsprachigen Version meint der australische Umweltprofessor Tim Flannery gar:

„Pflanzenkohle ist die mächtigste Klimaschutzmaschine, die wir haben“.

 

1 Tim Flannery, Europa, Suhrkamp Insel
Gerhard Bechtold www.gerhardbechtold.com
3 Conselho Nacional de Desenvolvimento Científico e Tecnológico, Brasilien
4 „Terra Preta“, Scheub, Pieplow, Schmidt, Oekom

Zerbrochenes in schwarzer Erde – Teil 3

Bleibt immer noch die Frage, wenn diese Keramik so wertvoll ist, warum zerschlägt man so viel davon?

  1. Heftige Beziehungsstreitigkeiten. Höchstwahrscheinlich ist das eine kulturunabhängige Angelegenheit und erfreut sich ungebrochener Beliebtheit. Beim gemeinsamen „Begraben“ entsteht vielleicht sogar eine neue Schicht Terra preta auf der irgendwann Sträuße von Rosen blühen?
  2. Hochzeitsbräuche. Polterabende. Das Zerschlagen symbolisiert hier, meiner Idee nach, Bruch mit dem alten Elternhaus und es bringt mit Sicherheit die nötige Aufbruchstimmung für die Verwirklichung gemeinsam erträumter Wolkenkuckucksheime. Dafür braucht man neues Geschirr und ein traumhaftes Beet aus Terra preta…
  3. Fülle, Reichtum. Dieses „Es allen mal zeigen“, dass man sich verdammt nochmal wenigstens noch neues Geschirr leisten, ausgelassen auf den alten Scherben tanzen kann. Ja, das ist Pflichtprogramm jeder „Big Fat Greek Wedding“. Das ergibt genügend Grundmaterial für eine extra dicke Schicht Terra preta.
  4. Ausweglosigkeit, Trauer, Zorn, unterdrückte Wut, Mangelgefühl, Perspektivenlosigkeit, Enttäuschungen, unerfüllte Liebe, Zurückweisungen, Verzweiflung, Liebeskummer – oder noch schlimmer – Angst vor der eigenen Kraft, Schönheit, Leidenschaftlichkeit, Sinnlichkeit. Diese Dinge versteckt man in der Gringo-Kultur gefälligst unter harter Schale oder verschließt Geister dieser Art besser für immer in Flaschen. Bis halt die Dinge, die man da so ansammelt, zu schwer werden und irgendwann in kulturverträglich vorgespurte Richtungen explodieren wie z.B. plötzliche Kriegsbegeisterung, vordefinierte Sündenböcke jagen, Hass auf… irgendwem halt der gerade am Schirm auftaucht, totale Vernichtung von jemanden, der es angeblich nicht anders verdient hat, am liebsten irgendwem von denen abknallen, die uns so bedrohen und begrapschen usw. und so fort…

Aber auch dafür hat wiederum die altgriechische Keramikkultur ein Keramikventil erfunden. Im ursprünglichen Sinne wurden bei Solotänzen wie Zeibekiko (männliche Version) oder Tsifteteli (weibliche Version) Dinge, für die man kaum Worte finden kann oder kulturbedingt nicht darf, unter lautem Beklatschen, Zerscheppern von Tellern, Werfen von Blumen und Anfeuerungen der unterstützenden Gemeinschaft, sinnlich von der Seele getanzt.

Tsifteteli dance Elissaet Dovliatidou

Zeibekiko la Constanta greek FlashMob

Um genau zu bleiben, muss man hinzufügen, dass diese zwei Tänze aus den alten griechischen Tochterkolonien stammen und ins, nun moderne, griechische Vaterland erst im Zuge der großen Diaspora Anfang des 20. Jahrhunderts aus Kleinasien und den Küsten rund um das Schwarze Meer mitgebracht wurden. Die nördlichste Kolonie hieß Tainas und lag am Fluß „Amazonius“, welcher heute Don-Fluss genannt wird und im heutigen Südrussland liegt.

Übrigens habe ich gerade die Vorstellung von einer Großmutter, die ihrer Enkelin zeigt wie man süße Erdbeeren in ein Terra preta-Beet pflanzt und zu wirklich jedem Tonscherben eine lustige Geschichte zu erzählen hat, denen auch die Mutter, die am Beetrand steht, mit leicht verdrehten Augen und schiefen Grinsen im Gesicht zulauscht. Auch so könnte geschichtsgetränkter Boden sein…

Ich glaube, ja vielleicht doch, Scherben bringen Glück! Die würden in einer Terra preta tatsächlich fehlen… Außerdem bereitet es so unendlich viel Freude, wenn aus altem Scheiß, zerbrochenen Scherben und aus ausgebrannter, vertrockneter Kohle, plötzlich – wie ein Wunder – fruchtbare, neue Erde entsteht.

So wie der Zeibekiko-Tänzer Taso Papadakis „nebenbei“ noch Holzkohle macht, könnte man sich die ursprüngliche Herstellung von Terra Preta vorstellen: Im Rituals-Tanz um das Feuer mit berauschenden Getränken aus Tongefässen, welche dann ins Feuer geschmissen werden. Nach dem Ablöschen des Feuers das Zerkleinern von Ton und Kohle durch einen Kohlen-Tanz.

 

 

Zerbrochenes in schwarzer Erde – Teil 2

Doch diese vielen Tonstücke? Neben den Scherben aus tropenklimatauglichen Tonplumpsklos (Basis der Terra preta) sind unübersehbar viele Bruchstücke schöner, liebevoll hergestellter Tongefäße dabei, was man auf etlichen Bildern aus Terra preta-Publikationen unschwer erkennen kann. Warum derartig viel Bruch? Aufgrund des häufigen Regens könnte der Boden Amazoniens durchaus recht klitschig werden. Hmm,… nein, da steckt mehr dahinter…

Jetzt ist es doch so, wenn man als Gast geladen ist und einem die Kaffeetasse in einer ungeschickten Handbewegung entgleitet und zu Bruch geht, man doch in diesem Moment gefühlsmäßig am liebsten im Boden versinken würde. Gefühlter Wertverlust und Geldwertverlust einer Kaffeetasse stimmen da eindeutig nicht überein. Man ordnet den keramischen Dingen offenbar einen sehr hohen oder einen anderen Wert zu, vielleicht weil sie zerbrechlich sind und einen achtsamen, liebevollen Umgang voraussetzen.

Der Grundstoff Ton ist fast überall verfügbar, verhältnismäßig variabel, aber doch überall, wo Erde ist, also direkt unter unseren Füßen. Eine Grubenfeuer für den Brennvorgang zu entfachen wäre zumindest rein theoretisch auch überall möglich. Ein fast unendlich verfügbarer Werkstoff. Eine gute Portion Erfahrung, Können, Liebe und Hingabe gehört sicher auch zur Herstellung von keramischen Gegenständen.

Eine besondere Beziehung zu Herstellung von Keramik dürften Frauen und Kinder haben. So fand man schon auf der ältesten gefundenen Keramikfigurine (Venus von Dolní Věstonice) entsprechende Fingerabdrücke. Es ist eben auch was Wunderschönes während schöpferisch-künstlerischer Tätigkeiten, die Zeit und die Welt vergessend, in dieses Flow-Gefühl zu tauchen. Kinder können das besonders.

Krüge, Töpfe, Teller, Becher kamen erst mit der Sesshaftwerdung des Menschen – wohl auch die Frage: „Und wer wäscht jetzt das Geschirr ab?“

Dieser Werkstoff könnte in meiner Vorstellung eine gesellschaftliche Revolution ausgelöst haben. Aus diesem weichen, knetbaren Ton konnte man nun allerhand Ideen eine physische und sehr dauerhafte Form verleihen, in die man Symbole eingravieren und auch bemalen konnte (mit Tonfarben z.B.) Schließlich wäre die Entstehung von Schrift (Keilschrift-Tontafeln) und die Mathematik (Calculus-Token) ohne „Tonträger“ undenkbar. Natürlich war man nun in der Lage Sachen zu lagern, sortieren und einen zu Platz geben, man konnte Wasser schöpfen, transportieren und aufbewahren, Tee kochen, Essen kochen und warmhalten, Lebensmittel schädlingssicher, trocken und geschützt aufbewahren. Keramische Fliesenböden sind auch leichter zu reinigen. Bienen wurden in Tonröhren gehalten und süßer Honig in Amphoren gelagert. Ja, auch das erste Mal Bier, Wein, Sauerkraut, Essig fermentieren, Fisch und Fleisch einsalzen oder Schnaps und ätherische Öle destillieren, Tinkturen und Cremen zusammenrühren, war möglich. Und später wurden Ziegel für Häuser, Dächer und Wasserrohre hergestellt, in Blumentöpfen Pflanzen mobil gemacht und vorgezogen, uvm.

In der modernen Hydrokultur von Pflanzen kommen unter anderem Tongranulate als strukturgebender Erdersatz, Drainage und Wasser- und Nährstoffspeicher zum Einsatz.

Jetzt mag es ein reiner Zufall sein, dass in der deutschen Sprache das Wort Ton gleichermaßen für die Tonerde und den Klang (lat. tonus) verwendet wird. Doch finden sich häufig Tonflöten unter ältesten keramischen Fundstücken. Mit Vogel- oder Kuckuckspfeifen konnte man Vögel imitieren und anlocken. Tonflaschentrommeln, Brummtöpfe, etc. machten jedes Fest sicher noch etwas freudiger.

Lied einer mallorcinischen Sängerin in Begleitung zu Brummtöpfen

Wo mit Feinstofflichem gearbeitet wird, taucht gebrannter Ton auch immer wieder auf. So auch in der biodynamischen Präparateherstellung (Präparat 504) und -lagerung (damit sich die feinstoffliche Wirkung eines Präparates nicht verstrahlt bzw. verliert). Auch der Entdecker der Effektiven Mikroorganismen, Teuro Higa, schrieb im Buch „Eine Revolution zur Rettung der Erde“: „Ton ist ein Kolloid mit elektrischer Ladung, das bei Verdichtung seiner elektrischen Eigenschaften die Informationen der Mikroorganismen wie eine Schablone duplizieren kann. Die Theorie, dass Leben aus Ton entstanden ist, hat möglicherweise ihren Ursprung darin, dass Ton tatsächlich die Eigenschaft hat, vielfältige elektrische Informationen aufzunehmen, zu fixieren und zu binden. Daraus folgt, dass EM-Keramik als Schablone für die EM-Information betrachtet werden kann. (…) Wenn man die Keramik mit Wasser in Verbindung bringt, wird es möglich, die EM-Information aus der Schablone herauszuziehen.“

Bleibt immer noch die Frage, wenn diese Keramik so wertvoll ist, warum zerschlägt man so viel davon? Mehr darüber im nächsten Blogbeitrag

Franz Schweinberger

 

 

Sankofa

Der aktuelle Krieg im Osten Europas hat es uns wieder deutlich gemacht; die Ukraine ist einer der grössten Weizenproduzenten der Welt – und wir erinnern uns an den Geografie-Unterricht, wo wir lernten, dass die fruchtbarsten Erden Schwarzerden sind, und dass es in der Ukraine ganz viel von dieser gibt. Googelt man «Schwarzerde-Vorkommen», so finden sich diese ausschliesslich auf der nördlichen Halbkugel. Gibt man jedoch das brasilianische Wort für Schwarzerde, «Terra Preta» ein, dann sieht es ganz anders aus, da ist Brasilien an vorderster Stelle.

Was ist der Unterschied? Eigentlich keiner. Schwarzerde ist ein natürliches Vorkommen, welches sowohl in der Ukraine wie in Amazonien von Menschen pyrotechnisch bewirtschaftet wurden, um deren Fruchtbarkeit zu vergrössern. Im Amazonasbecken, das wie andere Tropenregionen aus magerer Roterde besteht, wurden 1978 ausgedehnte Gebiete mit fruchtbarster Schwarzerde entdeckt (Eije Erich Pabst). Die Analyse zeigte eine Komposition aus Küchenabfällen, Exkrementen, Tonscherben und Pflanzenkohle, womit klar war, dass es sich um eine absichtlich hergestellte Erde handelte. Man nannte diese Erde «Terra Preta do Indio».

Wer von Sao Paulo auf der BR 381 Richtung Norden fährt, der kommt an der Ortschaft „Terra Preta“ vorbei. Auf der Tafel liesst man „Saida“ (Ausfahrt) und «Retorno» (Kehrtwendung). Auf amerikanischen Highways würde das heissen «Exit» und «U-turn».

Das hat aber nichts mit Otto Schramers «Theorie U» zu tun, die aus der Zukunft heraus das Gegenwärtige bewältigen will, sondern mit Hans-Peter Schmidts Theorie C (c-turn), der Lehre vom Kohlenstoff, der Zirkularität und des Regenerativen. Und der Rolle des Pyrolyse-Feuers bei der Bewältigung der Klimakrise. Hans-Peter Schmidt prägte dazu den Satz einer „archaischen Zukunftsforschung am offenen Feuer». Das klingt ganz wie der afrikanische Sankofa-Vogel, der davon singt, dass «die Zukunft in der Vergangenheit liegt»

  Sankofa Song

Der Klimawandel kommt dadurch zustande, dass Kohle, Erdöl und Erdgas aus fossilen Lagerstätten entzogen und verbrannt wurden. Der im Boden gespeicherte Kohlenstoff wurde dadurch zu CO2 in der Atmosphäre. Um den Klimawandel rückgängig zu machen, muss all das CO2 aus dem verbrannten Erdöl, Erdgas und Kohle wieder aus der Atmosphäre entzogen werden, wieder in eine stabile Form von Kohlenstoff umgewandelt werden und wieder in den Boden, d.h. in alte Lagerstätten oder über Sekundärnutzungen in Materialien oder als Terra Preta in landwirtschaftliche Böden eingebracht und dort für Jahrtausende gespeichert werden.

«Zurück in den Stollen» ist denn auch der Titel des Vortrags von Hans-Peter Schmidt, Co-Autor des Buches Terra Preta am kommenden Pflanzenkohlensymposium, das gleichzeitig mit dem Cholefestival vom 2. – 4. September in Beatenberg stattfinden wird und wo am Sonntag dem 4. September auch der «Dia da Terra Preta», (Tag von Terra Preta) mit brasilianischer Musik und Essen gefeiert werden soll.

Bis dahin wird hier zum Thema Terra Preta wöchentlich ein Beitrag erscheinen. Beitragseinsendungen sind erwünscht.