Zerbrochenes in schwarzer Erde – Teil 3

Bleibt immer noch die Frage, wenn diese Keramik so wertvoll ist, warum zerschlägt man so viel davon?

  1. Heftige Beziehungsstreitigkeiten. Höchstwahrscheinlich ist das eine kulturunabhängige Angelegenheit und erfreut sich ungebrochener Beliebtheit. Beim gemeinsamen „Begraben“ entsteht vielleicht sogar eine neue Schicht Terra preta auf der irgendwann Sträuße von Rosen blühen?
  2. Hochzeitsbräuche. Polterabende. Das Zerschlagen symbolisiert hier, meiner Idee nach, Bruch mit dem alten Elternhaus und es bringt mit Sicherheit die nötige Aufbruchstimmung für die Verwirklichung gemeinsam erträumter Wolkenkuckucksheime. Dafür braucht man neues Geschirr und ein traumhaftes Beet aus Terra preta…
  3. Fülle, Reichtum. Dieses „Es allen mal zeigen“, dass man sich verdammt nochmal wenigstens noch neues Geschirr leisten, ausgelassen auf den alten Scherben tanzen kann. Ja, das ist Pflichtprogramm jeder „Big Fat Greek Wedding“. Das ergibt genügend Grundmaterial für eine extra dicke Schicht Terra preta.
  4. Ausweglosigkeit, Trauer, Zorn, unterdrückte Wut, Mangelgefühl, Perspektivenlosigkeit, Enttäuschungen, unerfüllte Liebe, Zurückweisungen, Verzweiflung, Liebeskummer – oder noch schlimmer – Angst vor der eigenen Kraft, Schönheit, Leidenschaftlichkeit, Sinnlichkeit. Diese Dinge versteckt man in der Gringo-Kultur gefälligst unter harter Schale oder verschließt Geister dieser Art besser für immer in Flaschen. Bis halt die Dinge, die man da so ansammelt, zu schwer werden und irgendwann in kulturverträglich vorgespurte Richtungen explodieren wie z.B. plötzliche Kriegsbegeisterung, vordefinierte Sündenböcke jagen, Hass auf… irgendwem halt der gerade am Schirm auftaucht, totale Vernichtung von jemanden, der es angeblich nicht anders verdient hat, am liebsten irgendwem von denen abknallen, die uns so bedrohen und begrapschen usw. und so fort…

Aber auch dafür hat wiederum die altgriechische Keramikkultur ein Keramikventil erfunden. Im ursprünglichen Sinne wurden bei Solotänzen wie Zeibekiko (männliche Version) oder Tsifteteli (weibliche Version) Dinge, für die man kaum Worte finden kann oder kulturbedingt nicht darf, unter lautem Beklatschen, Zerscheppern von Tellern, Werfen von Blumen und Anfeuerungen der unterstützenden Gemeinschaft, sinnlich von der Seele getanzt.

Tsifteteli dance Elissaet Dovliatidou

Zeibekiko la Constanta greek FlashMob

Um genau zu bleiben, muss man hinzufügen, dass diese zwei Tänze aus den alten griechischen Tochterkolonien stammen und ins, nun moderne, griechische Vaterland erst im Zuge der großen Diaspora Anfang des 20. Jahrhunderts aus Kleinasien und den Küsten rund um das Schwarze Meer mitgebracht wurden. Die nördlichste Kolonie hieß Tainas und lag am Fluß „Amazonius“, welcher heute Don-Fluss genannt wird und im heutigen Südrussland liegt.

Übrigens habe ich gerade die Vorstellung von einer Großmutter, die ihrer Enkelin zeigt wie man süße Erdbeeren in ein Terra preta-Beet pflanzt und zu wirklich jedem Tonscherben eine lustige Geschichte zu erzählen hat, denen auch die Mutter, die am Beetrand steht, mit leicht verdrehten Augen und schiefen Grinsen im Gesicht zulauscht. Auch so könnte geschichtsgetränkter Boden sein…

Ich glaube, ja vielleicht doch, Scherben bringen Glück! Die würden in einer Terra preta tatsächlich fehlen… Außerdem bereitet es so unendlich viel Freude, wenn aus altem Scheiß, zerbrochenen Scherben und aus ausgebrannter, vertrockneter Kohle, plötzlich – wie ein Wunder – fruchtbare, neue Erde entsteht.

So wie der Zeibekiko-Tänzer Taso Papadakis „nebenbei“ noch Holzkohle macht, könnte man sich die ursprüngliche Herstellung von Terra Preta vorstellen: Im Rituals-Tanz um das Feuer mit berauschenden Getränken aus Tongefässen, welche dann ins Feuer geschmissen werden. Nach dem Ablöschen des Feuers das Zerkleinern von Ton und Kohle durch einen Kohlen-Tanz.

 

 

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