Schwarzes Gold

Ich habe heuer mehr Ölsonnenblumen angebaut als sonst. Die ukrainischen Kolleginnen und Kollegen werden sich diese Saison sicher eher damit beschäftigen müssen, Leib und Leben zu retten, als um die Friteusenfüllstände der restlichen Welt. Nun ist es leider so, dass dieses Jahr im kalkreichen, schwarzen Tscherosemboden (Schwarzerde) meines Feldes die tiefwurzelnden, stark ausläuferbildenden Ackerkratzdisteln so üppig sprießen wie noch nie. Jedes Jahr sind die Bedingungen anders, selbst die Schwerpunkt-Unkräuter. Warum das so ist, weiß ich nicht. Beim Disteljäten versüßt man sich die Arbeit gerne mit allerhand gedanklichen Ausflügen oder versenkt sich in Erinnerungen.

So ist mir auch dieses, nach meinem Empfinden erstaunliche Buch von Leah Penniman (Landwirtin im US-Bundesstaat New York), das ich vor zirka 2 Jahren gelesen hatte, wieder eingefallen. Dadurch bin ich auf die uralte Tradition zur Herstellung von anthropogenen Schwarzerden in West- und Zentralafrika erst aufmerksam geworden.

Ihrer Ansicht nach gehören Landraub und Ausbeutung von menschlicher Arbeitkraft bis heute zu den zwei grundlegenden „DNA-Strängen des weltweiten Ernährungssystems“.

Besonders dem Thema „Lebensmittel Apartheid“ wollte sie auf ihrer Farm begegnen. In schwarzen Vierteln amerikanischer Städte existiert meist gar keine Infrastruktur mehr um sich mit frischen, qualitativ hochwertigen Lebensmittel zur versorgen. Sie gründete ihre „Netflix für Gemüse“-Initiative, wobei Produktion und Zustellung solidarisch-gemeinschaftlich betrieben wird. Solidaritätsbeiträge schaffen auch die Möglichkeit in finanzielle Not geratene Mitglieder mit hochwertigen Nahrungsmitteln zu versorgen. Auch hier steht sie in der Tradition von zahlreichen, sehr erfolgreichen, historischen, afro-amerikanischen Initiativen und Vordenkern, die jedoch immer wieder bekämpft, denen die finanziellen Mittel entzogen wurden und aus dem allgemeinen Geschichtsbewusstsein schlichtweg verschwunden sind.

Sie merkte auch zunehmend, dass viele heutige Nachkommen ehemaliger Sklaven dieses „Trauma mit der Erde“ mit und in sich tragen. Das Land war nur die Bühne, nicht der Verbrecher, betont sie immer wieder und dass die Berührung und Arbeit mit der Erde wieder vieles davon heilen kann. Sie versteht sich als „Brutkasten-Farm“ für viele weitere Initiativen dieser Art und vermittelt entsprechende Ausbildungsprogramme.

Vor allem traditionelle afrikanische Bodenbewirtschaftungsmethoden werden auf ihrer Farm gepflegt.

So auch die Herstellung der „Schwarzen Erde der afrikanischen Frauen“, wie Sie es nennt und bei Reisen durch Ghana und Liberia noch kennenlernen durfte.

Pflanzenkohle wird durch Entzünden getrockneten Grünschnittmaterials in Erdgrubenkanälen hergestellt. Sobald die Flammen gräulich-blau werden, wird die Grube mit ca. 2-3 cm Erde bedeckt. Ich hätte dazu noch herausgefunden, dass diese Methode der Holzkohlenherstellung (soil burning bzw. écobuage) meist in-sitiu, also direkt im Ackerboden angewendet wurde und anscheinend sehr weit verbreitet war. Aber von den europäischen Kolonialherren lediglich als Akt des Vandalismus erkannt und somit sehr bald verboten wurde.

Die Pflanzenkohle wird gemeinsam mit Speisereste, Knochen- (Ca- und P-reich) und Schlachtabfälle (N-reich), Ölpresskuchen (in Afrika von Ölpalmen; P-, N- und außerordentlich energiereich) und Abfälle aus der Seifenherstellung sowie Holzasche (K-reich) kompostiert.

Leah empfiehlt dazu eine langsame aerobe Kompostierung ganz ohne arbeitsaufwändiges Umsetzen. Die Kompostierung ähnelt sehr der Arbeitsweise von Margarete Langerhorst (in ihrem Fall ohne tierische Komponenten, Margarete ist strikt vegan). Eine Schicht „Grünes“ (N-, P-, saftig, energiereich) und eine Schicht „Braunes“ (C-reiches lockeres Material sorgt für Belüftung, wie z.B. Biokohle, Zweige, Stroh, Heu, Laub, Holzhäcksel, Äste und Zweige)

Anthropogene Schwarzerden werden in West- und Zentralafrika, genauso wie auch im westlichen Amazonasgebiet, auf archipelartig angelegten Waldinsel-Siedlungen gefunden. Allerdings nennt man sie hier je nach lokaler Sprache etwas abweichend „verlassene Dorfruinen“ wie z.B. ‘pulo ce pomdo’ (pulo = Erdboden ce pomdo = altes Dorf) oder tombondu (tombon = Ruine, du = Erde). In diesen schwarzen Erden fand man häufig vergrabene Pomdo-Statuetten (pomdo = die Verstorbenen).

Leah Penniman betont in ihrem Buch, dass Sklavenhändler nicht wahllos vorgingen, sondern eher im Sinne heutiger „Headhunter“. Man suchte gezielt nach Sklaven, die schon über großes, garten- und ackerbauliches Know-How unter tropischen und subtropischen Klimabedingungen verfügten. Das könnte auch eine Erklärung sein, warum sich auf diesen Schwarzerdevorkommen heute in den allermeisten Fällen keine belebten Dörfer mehr befinden, nur mehr Ruinen.

Jene Frauen, die schon befürchten mussten, bald gefangen genommen zu werden, flochten sich gegenseitig zur Vorsorge die Samen ihrer traditionellen Kulturpflanzen in ihr Haar. Wo auch immer sie hin verschleppt würden, wie schlecht die Böden dort auch wären, ein paar Samen und das Wissen um die schwarze Erde reichten aus, um ihren Nachkommen ein gutes Leben zu bescheren, so ihre Hoffnung.

Hier ein paar Eindrücke von ihrer Farm und ihrer Arbeit.

Und hier ein Video von Magarete Langerhorst, zu ihrer, meines Erachtens sehr erprobten, ausgeklügelten Gemüsebau-Methodik und ihrer Art der Kompostierung, die freilich durch den Zusatz von Holzkohle sicher noch besser wäre.

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