Ich bin der Kohlegeist
Am 14. Januar 2021 zeigte ich mich im Schweizer Bergdorf Beatenberg zum ersten Mal wieder, nachdem ich mich nach 80 Jahren Aktivdienst für die Schmiede und die Erleuchtung der Stadt Bern vor 165 Jahren in den Berg zurückzog. Die gemeinsame Geschichte von mir mit den Menschen ist aber viel älter. Schon vor 3‘200‘000 Millionen Jahren diente ich in Form der als Holzkohle Lucy als Medizin, wenn sie sich von Früchten mal den Magen verdorben hat.
Vor 2,5 Millionen Jahren begannen die Menschen gekochtes Essen zu sich zu nehmen, welches sie in der Holzkohlenglut von vorbeigezogenen Waldbränden fanden. Ab da begann das Hirn der Menschen stark zu wachsen, weil sie die Energie statt für die Verdauung von Rohkost für anderes gebrauchen konnten.
Sie entdeckten vor vielleicht 2 Millionen Jahren, dass sie Kohle in Behältern transportieren konnten und anderswo wieder zu einem Feuer entfachen. So konnten sie sich einen sicheren Platz an einem heimischen Feuer schaffen. Dank ihrem spärlichen Haarbewuchs verbrannten sie sich nicht den Pelz wie andere Tiere, die allesamt Angst vor dem Feuer hatten. Ausserdem ermöglichte ihren die nackte Haut das Schwitzen, wodurch sie in der Lage waren, weite Strecken zu joggen. Auch das hatten sie den Tieren voraus. Sie konnten Nahrung von weit her beschaffen. Wenn sie Assgeier in der Ferne kreisen sahen, wussten sie, dort gibt es ein gestorbenes Tier, dessen Fleisch man kann, um es in der heimischen Holzkohlenglut zu grillieren oder in der Luft zu trockenen.
Wegen der Fähigkeit des Schwitzens brauchten die Menschen täglich Trinkwasser. Deshalb waren ihre Aufenthaltsorte immer an Gewässern – die Menschen waren Uferwesen. Das Trinken aus der hohlen Hand ist eine ihrer der schönsten Gesten. Fettige Hände rieben sie mit Asche ein, um sie dann im Wasser zu waschen. Ebenso von der Kohle geschwärzten Hände – manchmal aber erst nachdem sie aus Spass einem Andern das Gesicht schwärzten. Wegen dem aufrechten Gang und den dadurch zusammengeklemmten Pobacken mussten die Menschen im Gegensatz zu den Tieren auch nach der Toilette ihre Hintern mit Wasser reinigen. Reinlichkeit war für das gesund bleiben von grosser Wichtigkeit.
Kohle färbt. Man kann damit nicht nur Gesichter schwärzen, sondern auch auf Stein zeichnen. Kreide, Ocker und Kohle waren die Farben, durch welche überall auf der Welt Höhlenmalereien entstanden. Die aktuell älteste befindet sich in Sulawesi mit einem Alter von 50’000 Jahren. Von atemberaubender Schönheit sind die Gemälde in den französischen Höhlen von Chauvet (ca 30’000 Jahre alt und Lascaux, sowie jene vom spanischen Altamira (beide ca. 15’000 Jahre alt). Zur Datierung benützt die Archäologie Holzkohle (Radiokohlenstoffdatierung), wofür nur wenige Milligramm Holzkohle des Werkes benötigt werden.
Gegen Ende des 17 Jahrhunderts begann in Europa die Industrialisierung ausgelöst durch die in England erfundene Dampfmaschine. Die Energie wurde aus Kohle gewonnen, die in grossem Masse abgebaut wurde. Die Nutzung fossiler Brennstoffe brachte eine stark beschleunigte Entwicklung von Technik und Produktivität, begleitet von einem starken Bevölkerungszuwachs und einer neuartigen Zuspitzung sozialer Missstände. Die in vor- und frühindustrieller Zeit am meisten benachteiligten proletarischen Schichten gewannen im weiteren Verlauf der industriellen Revolution dann an Lebensqualität und breitere Bevölkerungsschichten kamen zu relativem Wohlstand.
Als die ersten Menschen entstanden, war das Klima angenehm und so blieb es auch über die hunderttausenden von Jahren so, bis die Menschen vor 250 Jahren begannen, Kohle, Erdöl und Erdgas abzubauen und zu verbrennen. Seither steigt der CO2 Gehalt in der Atmosphäre an, was zu einer erneuten Erhitzung des Klimas führt. Diesen Prozess können wir Menschen verhindern, indem wir aufhören, fossile Brennstoffe zu nützen. England hat es schon vorgemacht; nach mehr als 140 Jahren stellte der Geburtsort der Kohleverstromung die Stromerzeugung aus Kohle ein.
Den Schaden, den die Übernutzung der fossilen Kohle angerichtet hat, können wir jedoch wieder gut machen. Und dies ausgerechnet auch mit der Kohle – der solaren Kohle nämlich, wie die Pflanzenkohle auch genannt wird. Wenn Holz, das ja im Wachstum CO2 aus der Atmosphäre aufnimmt, statt verbrannt vergast wird, bleibt Kohle übrig. Wenn wir diese in die Erde bringen, zum Beispiel in Form von Terra Preta (Kohle + Kompost = Humus) wird das CO2 im Boden gebunden.