Das Wilde Heer

Die Geschichte der Menschheit als eine der Kriege? Nein! Kriege gehören nicht zur menschlichen Natur. Es gibt sie erst im letzten Prozent der Geschichte. Die 99 Prozent davor lebten die Menschen ohne Kriege.*

Als 1949 geborener hörte ich meine Eltern oft vom Krieg erzählen und in den ersten Geschichtsstunden ging es primär um Schlachten. Als junger Mann sah ich mich dann in der militärischen Ausbildung der Doktrin ausgesetzt, dass der Feind aus dem Osten kommt. Doch als Pazifist habe ich dem aber immer weniger geglaubt. Bis vor kurzem.

Russlands Angriff auf die Ukraine ist nur die jüngste Aggression aus dem Osten, mit welchen sich der europäische Kontinent seit tausenden von Jahren konfrontiert sieht. Wie ähnliche Erzählungen vielerorts in Europa zeugt auch die Beatenberger Sage vom Wilden Heer von der kollektiven Tiefenerinnerung an Überfälle durch marodierende Horden.

Ein erster Schub war das Eindringen der ersten Bauern aus Anatolien vor 8’500 Jahren. Während diese noch zu Fuss unterwegs waren, kamen vor 6000 Jahren Nomaden aus dem vorderasiatischen Steppen mit Ochsenkarren. In den nachfolgenden Wellen waren dies dann berittene Männern-Banden mit metallenen Waffen ausgerüstet. Fast noch todbringender als Pferd und Schwert war ein unsichtbares Mitbringsel – mikroskopische Krankheitserreger, gegen welche die lokale Bevölkerung keinen Abwehrschutz hatte.

Der Ursache der Migration nach Europa waren Nahrungsmangel aufgrund von Überbevölkerung im Herkunftsgebiet; im Fall der Steppennomaden Frauenmangel. Das beweisen archäologische Funde von Gräbern der Getöteten, wo junge Frauen fehlen. Es mutet fast ein bisschen zynisch an, dass der europäische Kontinent den Namen einer entführten Frau, der griechischen Göttin Europa trägt.

Es brauchte wenige Jahrtausende, bis es auch auf dem europäischen Kontinent eng wurde. Da auf dem Landweg keine Abwanderung in ressourcenreichere, bevölkerungsärmere Regionen mehr möglich war, kamen nun Schiffe zum Einsatz. Die koloniale Unterwerfung Amerikas erfolgte wieder nach demselben Muster, die apokalyptischen Reiter kamen aus dem Osten, waren dank ihrer Waffen der indigenen Bevölkerung weit überlegen und brachten auch hier wieder tödliche Mikroben mit.

Hörausschnitt aus dem Audiowalk der Beatenberger Kohlenwege:  Tonaufnahme_Wildes Heer

* „Die Evolution der Gewalt“, Harald Meller, Kai Michel, Carel van Schaik, dtv 2024

Der magische Kessel

Bei den Kelten, die Europa vor 2000 Jahren bevölkerten, war der Kupferkessel nicht nur ein Kochtopf, sondern das heilige Gefäß schlechthin. Er diente in Kulten und Zeremonien. So konnte man mithilfe des Kessels mit Toten und übernatürlichen Kräften Kontakt aufnehmen. Als „Kessel der Heilung“ wurde er im Zuge der Christianisierung zum  „Hexenkessel“ verbannt. Dann aber erlebte er im Comics von Asterix und Obelix eine Wiederkehr als magischer Kessel .

Im sennischen Brauchtum der Alpen ist der Kupferkessel ein sorgsam gehegtes Gut. Viele Alpensagen ranken sich um ihn. Er gehört zur magischen Ausrüstung wie der Holztrichter für den Alpsegen und die grossen Kuhglocken im Säntisgebiet, die nicht einfach nur Zierde und Signalgeber sind, sondern auch den Bann unterstützen, der Senn, Vieh und Stall vor den schrecklichen Kräften schützt.

Genützt wird der Kupferkessel zur Herstellung von Käse. Eine Hommage auf dieses Nahrungsmittel findet sich auf dem Audio-Guide der Beatenberger Kohlenwege. Hier der Ausschnitt:

Die ersten Menschen von Beatenberg

Beatenberg ist mit seinen 7 km Länge nicht nur das «längste Dorf Europas», sondern mit einer Höhendifferenz von 1400 m zwischen Thunersee und Niederhorn auch ein ziemlich hohes. Und zählt man die Unterwelt dazu zählt, wahrscheinlich eines der durchlöchertsten.

Da ist einerseits das zweitgrösste Höhlensystem der Schweiz im Karstgebiet Beatenberg-Siebenhengste-Hohgant. Und unterhalb des Niederhorns finden sich die Stollen des ehemaligen Kohlenabbaus. Ausserdem gibt es insgesamt drei militärische Bunkeranlagen. Diese sind gut getarnt, während das grösste Loch, der riesige Krater des Balmholz-Steinbruches, nicht zu übersehen ist. Am bekanntesten sind aber die Beatushöhlen, ein Verbund von Tropfsteinhöhlen am Thunersee, die auf 1 km ins Innere begehbar sind.

Die Höhle, wie auch das Dorf, haben den Namen vom Heiligen Beatus, welcher der Legende nach einen Drachen aus der Höhle verscheucht hat, um selbst drinnen zu hausen. Nun ist der Beatus bei weitem nicht der erste, der einen Kampf gegen das Fabeltier ausfocht. Der Heilige Gregor ist nur einer der vielen Vorgänger; schon in der babylonischen Mythologie besiegt der Gottkönig Marduk einen Drachen. Es handelt sich bei der Beatusgeschichte also um ein «Palimpsest». So nannte man im Mittelalter ein wiederbenütztes Pergament, wo die alte Tinte abgeschabt und das Pergament neu beschrieben wurde und moderne Techniken es heute ermöglichen, den ursprünglichen Text sichtbar zu machen.

Neben dem Eingang zur Beatushöhlen befindet sich auch eine Halbhöhle.Die Chance ist gross, dass wenn man die Bodenschichten der Höhle abschaben würde, Spuren früherer Besiedlungen zum Vorschein kämen. Solche Halbhöhlen waren bevorzugte Wohnlage jener Menschen, die sich nach dem Rückzug der Gletscher beim ausgehenden Eiszeitalter in den Alpentälern ansiedelten. Bei Ausgrabungen im Muotatal beispielsweise stiess ein Forschungsteam in einer solchen Halbhöhle auf 12’000 Jahre alte Spuren menschlicher Besiedelung. Archäologen sind überzeugt, dass auch die Halbhöhlen bei der Balmfluh am Thunersee in diesem Zeitraum Menschen beherbergten und dass man deren Spuren finden würde, wenn man tief genug gräbt.

Wenn wir in der Zeitdimension tief genug graben, und die Menschheitsgeschichte bis zum Beginn vor ein paar Millionen Jahren zurückverfolgen, erscheint auf der „paläogenetischen Pergamentrolle“ ein Bild unserer Urahnen, das nach einer Korrektur der hergebrachten Vorstellung ruft. Mit den Kohlewelten erkunden wir nicht nur die Geschichte der Kohle und der Menschen, sondern damit eng verbunden auch eine Geschichte des Klimas.

 

Lucy in the Sky

Nach dem Frühstück am Lagerfeuer beklagte sich Luzia über Magenbeschwerden. Ein Glück, dass wir am Vorabend beim Kochen mit dem Pyrolyse-Brenner Pflanzenkohle hergestellt haben. So bot sich die Möglichkeit, die Wirkung der Kohle gleich auszuprobieren. Luzia nahm ein paar Kohlenstücke zu sich und zog sich unter ihre Plane zurück. Als Christian ihr einen Besuch abstattete, fand er eine Luzia mit kohleschwarzen Lippen. «Es wirkt», sagte Luzia lachend.

So ähnlich muss es Lucy ergangen sein, als sie vor 3,2 Millionen Jahren in Ostafrika eine Magenverstimmung mit Kohle behandelte – ein Trick, den sie bei Primaten abgeschaut hat. Lucy erhielt ihren Namen von den Archäologen, die sie in Ägypten gefunden haben und sie nach dem Beatles-Songs «Lucy in the Sky with Diamonds» so tauften. Die Forscher konnten damals nicht ahnen, dass der Kohlenstoff – aus dem Diamanten ja auch sind – dereinst in Form der Pflanzenkohle eine wichtige Rolle einnehmen wird.

Die pyrolytische Vergasung von Pflanzenmasse und das Einbringen der dabei entstehenden Pflanzenkohle in den Boden holt CO2 aus der Atmosphäre und bindet es. Und wenn sie mit Kompost zu Terra Preta verarbeitet wird, trägt sie darüber hinaus zum Wiederaufbau verlorenem Humus bei.

Geschichten der Landschaft

Wenn Andreas Sommer eine Sage erzählt, wird die Landschaft lebendig. Man sieht den Zwerg förmlich auf dem Ast des Kirschbaums sitzen und der Baumstrunk am Wegrand verwandelt sich in eine knorrige Sagengestalt. Brigitte Hirsig entführt mit Ihren Geschichten in eine Zauberwelt. Wenn sie erzählt ist es, als ob sich ein Vorhang lüftet und hinter der von Wäldern und Felsen geprägten Landschaft das Reich des Unsichtbaren durchschimmert. „Der Zwergenbaum“, „Vreni und die Kräuter“, „Pechvogel“, „Fischer vom Wendelsee“, „Bienenfrau“. So und noch anders heissen die Geschichten, Märchen und Sagen, die wir für unseren Themenweg „via sapiens“ aufgenommen haben. Diese Geschichten werden den 17 Stationen des Themenweges zugeordnet und können unterwegs oder an einem gemütlichen Platz gehört werden.

„Wir beginnen zu erkennen, dass das Geschichtenerzählen eine ursprüngliche Form des menschlichen Sprechens ist. Ein Diskursmodus, der die Gemeinschaft der Menschen stets aufs neue mit dem Land vermählt.“

David Abram, „Im Bann der sinnlichen Natur“.

Früchte – alle mögen sie

In dieser Blogserie finden sich Geschichten rund um die Umsetzung des Themenweges „Via Sapiens“ (jetzt genannt Beatenberger Kohlenwege) nach den 17 Kapiteln des Buches „Urmensch-Feuer-Kochen“

Zur Zeit, da das wilde Völklein in den Flühen und auf den Alpen Burgfeld und Gemmenalp noch sesshaft war, stund in einer Matte im Spirenwald ein alter, grosser Kirschbaum. Derselbe war ausserordentlich fruchtbar und trug alle Jahre, selbst in Fehljahren, die schönsten Kirschen. Man nannte ihn nur den Zwergenbaum, denn wie es heisst, war ein Bergmännlein mit der Bauernfamilie, der der Baum gehörte, eng befreundet und kam oft von den Bergen herunter zu ihr „z’Abesitz“. Am häufigsten fand es sich ein, wenn die Kirschen reif waren. Da ging es allemal nach dem Abendsitz zu jenem Kirschbaum, setzte sich auf den untersten Ast – immer auf den gleichen – ass da nach Herzenslust und trug alle an dem Aste noch übrigen Kirschen heim ins Gebirge. Merkwürdigerweise war der Ast jeden Morgen wieder „trübelt voll“. Die Leute, zu denen das Bergmännlein kam, wunderten sich, warum dasselbe nie etwas von seinem Kirschengewinnen sage. Eines Abends durchsägte der Eigentümer des Baumes teilweise den Ast. Und richtig, in derselben Nacht stürzte der Zwerg mit dem Ast zu Boden. Darauf trat das Bergmännlein vor das Fenster des Hauses besagter Familie und rief: Heute hierhar und nimmermehr dar! Von da an habe es sich nie wieder sehen lassen. Auch sei der Baum noch lange Zeit hernach gestanden, aber habe fortan keine einzige Kirsche mehr getragen.

Die Australopeciden lebten vor 4‘000‘000 in Afrika 

Von uns Früchten und Nüssen genossen sie das Fruchtfleisch

Inzwischen ging die Zeit vorbei und jener Kirschbaum steht längst nicht mehr in Beatenberg. Irgendwo lebt das Bergmännlein aber vielleicht immer noch und wartet darauf, dass wieder Menschen kommen, die einen neuen Kirschbaum pflanzen.

Seit kurzem steht nun ein neuer, junger Kirschbaum unterhalb des Hotels Beausite/Fassbind. Mit dem kürzlichen Zuzug der neuen Hotelbetreiber, der Familie Fassbind aus Zug, kamen weltbekannte Freunde der Kirsche nach Beatenberg.

Vor 820 Jahren  zogen die Vazpind, die – wie der Name „Fass-Binder“ sagt – den Beruf der Küfer ausübten – aus Holland an den Zugersee. Dort entwickelte sich in dieser Zeit die Kirschbaumkultur. Gemäss der Chronik haben die Fassbind  viele Auszeichnungen gewonnen: Ob in Italien wo 1860 König Vittorio Emanuele II bei der Medaillen Verleihung zum Ausspruch «La vita è più bella con il Kirsch Fassbind», hingerissen wird oder an der Weltausstellung in London 1862 an der Königin Victoria sehr trocken bemerkt «Very fruity this Fassbind Kirsch, is it not?» und in Österreich um 1873, wo Kaiser Franz Josef l begeistert in die Menge ruft «Fesch ist er, der Fassbind Kirsch», dem russischen Zar Nikolaus ll fehlen bei so viel Genuss gar die Worte, so dass er kurzerhand Fassbind zu seinem Hausbrand macht.

Wer weiss, vielleicht hört man auch in Beatenberg bald wieder Sätze wie: «La vita è più bella con il Kirsch Fassbind». Mit dem Spatenstich wurde jedenfalls ein erster Schritt gemacht. Der Platz in der Waldegg bietet den nötigen sonnigen Standort. Und mit Hilfe von Pflanzenkohlen-Substrat und Terra Preta ist auch für den von der Kirsche geliebten, nährstoffreichen, durchlässigen und feuchten Boden gesorgt.

Beitrag Jungfrauzeitung

 

Der Zwerg im Kirschbaum

Kirschen – wenn diese süssen Früchte reif am Baum hängen, dann ist der Sommer da. Was für ein Abenteuer für uns Kinder, beim Eindunkeln – damit der Bauer uns nicht sieht – in den Kirschbaum zu steigen und zu stibitzen. Die Mutter hat das natürlich immer gemerkt, unsere blauen Zungen waren unübersehbar. Es gab zwar auch die wilden Kirschbäume, da wäre das Naschen erlaubt gewesen, doch deren Früchte waren zu sauer. Aber als Schmuck über die Ohren gehängt, waren sie ebenso gut zu gebrauchen wie die vom Baum des Bauern. Essbar war auch die in Hecken wildvorkommende Kornelkirsche, doch jene andere Kirsche im tiefen Wald, die so verlockend aussah, war gefährlich: die Tollkirsche.

Die Kirsche war aber nicht nur eine Frucht des Sommers, sondern auch eine des Winters. In Form von Kirschtorte und Schnaps stand sie auf dem sonntäglichen Nachmittagstisch, während mit Kirschkernen gefüllte Stoffkissen auf dem Kachelofen lagerten, um dann nachts als «Wärmeflaschen» die klammen Schlafkammern gemütlich zu machen. Und wenn dann ein in einen Wasserkrug gestellter Kirschbaumzweig weissen Blüten trieb, war klar; der nächste Frühling kommt bestimmt.

Als die ersten Sammler-Jäger in der Thunersee-Region auftauchten, waren die Menschen im Vorderen Orient bereits aus dem Paradies vertrieben und mussten ihre Obstgärten“ im Schweisse des Angesichts“ selbst anlegen. Das Gebiet um Südosteuropa und in Westasien ist auch die Heimat der Kirsche. Ausgrabungen haben dort Kerne der Vogelkirsche ans Tageslicht befördert. Sie gilt als Urform unserer Süsskirsche. Mit den Römern sind die heute bekannten kultivierten Formen bis nach Nordeuropa gekommen. Scheinbar haben sie dabei auch ihren Weg bis nach Beatenberg gefunden – mindestens erzählt davon die Sage vom Zwerg auf dem Kirschbaum:

Zur Zeit, da das wilde Völklein in den Flühen und auf den Alpen Burgfeld und Gemmenalp noch sesshaft war, stund in einer Matte im Spirenwald ein alter, grosser Kirschbaum. Derselbe war ausserordentlich fruchtbar und trug alle Jahre, selbst in Fehljahren, die schönsten Kirschen. Man nannte ihn nur den Zwergenbaum, denn wie es heisst, war ein Bergmännlein mit der Bauernfamilie, der der Baum gehörte, eng befreundet und kam oft von den Bergen herunter zu ihr „z’Abesitz“. Am häufigsten fand es sich ein, wenn die Kirschen reif waren. Da ging es allemal nach dem Abendsitz zu jenem Kirschbaum, setzte sich auf den untersten Ast – immer auf den gleichen – ass da nach Herzenslust und trug alle an dem Aste noch übrigen Kirschen heim ins Gebirge. Merkwürdigerweise war der Ast jeden Morgen wieder „trübelt voll“. Die Leute, zu denen das Bergmännlein kam, wunderten sich, warum dasselbe nie etwas von seinem Kirschengewinnen sage. Eines Abends durchsägte der Eigentümer des Baumes teilweise den Ast. Und richtig, in derselben Nacht stürzte der Zwerg mit dem Ast zu Boden. Darauf trat das Bergmännlein vor das Fenster des Hauses besagter Familie und rief: Heute hierhar und nimmermehr dar! Von da an habe es sich nie wieder sehen lassen. Auch sei der Baum noch lange Zeit hernach gestanden, aber habe fortan keine einzige Kirsche mehr getragen.

Inzwischen ging die Zeit vorbei und der Kirschbaum steht längst nicht mehr in Beatenberg. Irgendwo lebt das Bergmännlein aber vielleicht immer noch und wartet darauf, dass wieder Menschen kommen, die einen neuen Kirschbaum pflanzen.

In einem feierlichen Spatenstich zum neuen Themenweg „Via Sapiens“ wurde am 28. Juni in Beatenberg ein Kirschbaum gepflanzt.

Der Baum steht unterhalb des Hotels Beausite, das bald Hotel Fassbind heissen wird. Mit dem kürzlichen Zuzug der neuen Hotelbetreiber, der Familie Fassbind aus Zug, kamen jedenfalls weltbekannte Freunde der Kirsche nach Beatenberg.

Vor 820 Jahren nämlich zogen die Vazpind, die – wie der Name „Fass-Binder“ sagt – den Beruf der Küfer ausübten – aus Holland die Schweiz. Am Zugersee, wohin die Fassbind dann 1395 zogen, entwickelte sich in dieser Zeit die Kirschbaumkultur. In der Familien-Chronik ist zu lesen, dass die Fassbind die Erkenntnisse der in vielen Klöstern betriebenen Alchemie für die Herstellung ihres Kirsches nutzen. Gottfried Fassbind lI gründete 1846 im Alter von 17 Jahren die „Godefroi Fassbind, jeune, Distillerie de Kirschwasser“ in der Ortschaft Oberarth, am Fusse der Rigi. Das wart der Beginn der über Jahrhunderte hinweg andauernden Erfolgsgeschichte der ältesten Destillerie der Schweiz.

Gemäss der Chronik haben die Fassbind Fruchtbrände an nationalen und internationalen Ausstellungen viele Auszeichnungen und Medaillen gewonnen und gewinnen diese bis zum heutigen Tag: Ob in Italien wo 1860 König Vittorio Emanuele II bei der Medaillen Verleihung zum Ausspruch «La vita è più bella con il Kirsch Fassbind», hingerissen wird oder an der Weltausstellung in London 1862 an der Königin Victoria sehr trocken bemerkt «Very fruity this Fassbind Kirsch, is it not?» und in Österreich um 1873, wo Kaiser Franz Josef l begeistert in die Menge ruft «Fesch ist er, der Fassbind Kirsch», dem russischen Zar Nikolaus ll fehlen bei so viel Genuss gar die Worte, so dass er kurzerhand Fassbind zu seinem Hausbrand macht.

Wer weiss, vielleicht hört man auch in Beatenberg bald wieder Sätze wie: «La vita è più bella con il Kirsch Fassbind». Mit dem Spatenstich wurde jedenfalls ein erster Schritt gemacht. Der Platz in der Waldegg bietet den nötigen sonnigen Standort. Und mit Hilfe von Pflanzenkohlen-Substrat und Terra Preta ist auch für den von der Kirsche geliebten, nährstoffreichen, durchlässigen und feuchten Boden gesorgt.

Presse:

Berner Oberländer, 

Jungfrauzeitung

Kohleabbau in Beatenberg

Vor 250 Jahren wurde in Beatenberg Kohle abgebaut. Wie ging das vor sich und welche Arbeiten waren zu tun?

(Text aus Kohlenabbau auf Beatenberg, Minaria Helvetica 27a/2007; Autoren: Ueli Wenger und Rainer Kündig) 

Von den verschiedenen Aufgaben im Bergbau sind hier zwei Tätigkeitsbereiche herausgegriffen.

Es sind dies die Arbeitsbereiche der Hauer und der Schlittner. Heute noch zeugen Spuren in den Stollen und in der Umgebung von dieser harten Arbeit.

So muss man sich den Kohlenabbau im Stollen vorstellen. Eine typische Dreiergruppe von Hauer, Klauber und Sortierer an der Arbeit.

Hauer, Klauber und Sortierer
Hauer waren für den Abbau von Kohle und Nebengestein in den Stollen verantwortlich.
Mit Spitzhacken von etwa einem Meter Länge wurde die Kohle aus dem Flöz geschlagen, nachdem dieses, je nach Lage von unten oder von oben her, freigelegt wurde. Die kohleführenden Schichten waren am Niederhorn und am Gemmenalphorn im Durchschnitt lediglich zwischen 10 und 20 Zentimeter mächtig, manchmal sogar noch viel weniger. Um einen Abbau von Menschenhand überhaupt zu ermöglichen, brauchte es etwa 60 Zentimeter Abbauhöhe (Beatenberg 50–70 Zentimeter, Kohlenbergwerke im Mittelland ca. 80 Zentimeter). Erschwerend kam dazu, dass auf Beatenberg die Kohlenflöze entsprechend dem allgemeinen Einfallen der Gesteinsschichten mit rund 20 bis 30 Grad Neigung mässig steil verlaufen. Die Hauer mussten seitlich auf dem Fels liegend abbauen. Ein Drehen während der Arbeit war oft nur sehr schwer oder nicht möglich. Man unterschied deshalb oft auch sogenannte Rechtshauer und Linkshauer.

Ausschnitt aus dem Plan der Ober und Nieder-Horn-Alpen und der daselbst befindlichen Steinkohlen- Bergwerken im Gemeindbezirk St. Beatenberg. District Unterseen, Canton Bern. Gemessen und gezeichnet im Jahr 1802 durch C. E. Zöller. (Bild erhalten von Prof. H. A. Stalder, Quelle: Naturhist. Museum Bern).

Das von den Hauern gelöste Material wurde noch im Stollen geklaubt (Trennung von Kohlenstücken und Nebengestein) und für den Transport sortiert. Die Kohlenstücke wurden in Säcke zu einem Zentner (damals etwa 50 kg) gepackt, fest verschnürt und zum Stollenmund getragen. Der Anfall von unnützem Fels und Geröll war wegen der geringen Flözmächtigkeit natürlich sehr gross. Das Wegräumen des Abraumes gehörte auch zur Aufgabe dieses Teams. Das Kleingestein wurde in die ausgebeuteten Teile des Stollens geschaufelt. Mit den grösseren Felsbrocken wurden davor Versatzmauern gebaut, dies auch im Sinne der Sicherheit als Deckenstützen oder als Wände gegen nachrutschendes Geröll. Da es unmöglich war, alles Material im Stollen zu verbauen, musste es mühsam nach draussen geschafft werden. Davon zeugen die heute noch sichtbaren Halden vor den Stollenmundlöchern.
Die Kohlensäcke wurden vor dem Stollen deponiert und vor Feierabend von den Hauern und Klaubern zum Sammelplatz über das Fyrabeweglein auf den Gemschigrat geschultert. Nur wer unten bei den Stollen steht und zum Grat hinauf schaut, kann sich vorstellen, wie schwer, hart und gefährlich diese Transportarbeit war. Oben angelangt wurden die Säcke in einem trockenen Unterstand zwischengelagert.
Von diesen Unterständen, die auf einer Kartenzeichnung von 1802 Zöllner verzeichnet sind, konnten leider keine Spuren mehr gefunden werden.

Kohlenfergger (Schlittner) bei der schweren Abfahrt im Bergwald. Das Bild nach einem Holzschnitt von 1750 stammt vom Gonzen bei Sargans, wo Eisenerz in der gleichen Art und Weise wie die Kohle auf Beatenberg zu Tal gefördert wurde.

Schlittner, Fergger
Vom Zwischenlager auf dem Gemschigrat bei der Knappenhütte wurden die Kohlensäcke von den Schlittnern übernommen und auf Hornschlitten (Horig) geladen. Etwa 300 Kilogramm (6 Säcke) bildeten eine Ladung. Der Schlitten wurde vom Kohlefergger an den Hörnern gepackt und ab ging die Fahrt Richtung Thunersee. Der so genannte Kohleschleef (Kohlenschleif) führte mit stetigem Gefälle und ohne Stufen durch den Wald hinunter auf die Alp Vorsass. Dann, steil nach der Bodenalp über die  Schmockenbührt zum Birchi, dann durch den steilen Bergwald, vorbei am Chalchofen, über die Weide des  bnett, über den Verbindungsweg Merligen-Interlaken (heutiger Pilger- respektive Jakobsweg) hinunter zur Beatenbucht. Dort wurde die Kohle im Magazin gelagert und per Nauen (Schiff), später auch per Fuhrwerk, nach Thun spediert.
Die Schlitten wurden wieder bergwärts geschultert. Unterwegs waren Rastplätze, so zum Beispiel die obere Leui, wo 2005 der dort vorhandene Chalchofen restauriert worden ist. Hier traf man sich oft zu einem Schwatz; der Bäcker, der Metzger und andere Träger aus Merligen und Beatenberg, denn alle Lebensmittel, die nicht vom eigenen Land oder Stall kamen, mussten steil den Berg hinauf getragen werden.

[Ein Dossier zu allen Aspekten des Kohlevorkommens in Beatenberg und Umgebung kann man hier downloaden]

Entstehungsgeschichte: Stecknadeln in der Landschaft

Wenn sie in der Landschaft von Beatenberg unterwegs sind, begegnen sie da und dort einer überdimensionalen Stecknadel mit einem gelben Kopf. Wir vom c-werk freuen uns, wenn sie die Nadel stehen lassen, denn sie markiert ein Kapitel aus einem „begehbaren Buch“. Eine Projekt im Rahmen der c-werk-Initiative.
Nun aber der Reihe nach.
Im September 2020 traf ich mich mit Roland Noirjean. In meinem Rucksack hatte ich eine Ideenskizze für einen Themenweg in der Beatenberger Landschaft dabei. Um die Mensch-Natur Beziehung soll es auf diesem Weg gehen, touristisch nutzbar, jedoch mit Bildungsanspruch und das alles eingebettet in eine Vision zum „gelingenden Leben*“. Roland hörte mir interessiert zu. Seine Augen leuchteten und er meinte: das müssen wir sachte angehen, Schritt für Schritt.
So wurden im Rahmen von zwei Workshops die bestehenden Wander-und Bikewege unter die Lupe genommen. Mitgewirkt haben rund 12 Vertreter*innen aus der Gemeinde, dem Tourismus, dem Bauwesen und Spezialist*innen zu Fragen rund um die Wege.
„Das Tourismusangebot mit den Wanderwegen im Beatenberg ist vielfältig und gut unterhalten. Vernetzt denken und die Kooperation unter den Beteiligten fördern ist wichtig.“ Das war eine wichtige Erkenntnis und das Vorhaben wurde unter das Dach des Ortsentwicklungsprozesses „Beatenberg belebt“ gestellt. Eine Arbeitsgruppe „Freizeit- und Tourismusinfrastrukturen“ ist gebildet.
Den Faden, diesen Weg zu realisieren, wollte ich weiterspinnen. So beschloss ich im November 2020 Hans-Peter Hufenus auf den Beatenberg einzuladen. Er forscht schon seit vielen Jahren in den tiefen Schichten der Mensch-Natur Beziehung und ich wusste, dass er ein Buch geschrieben hat, welches im Frühling 21 erscheinen soll. Auf unserem gemeinsamen Spaziergang wurde dann rasch klar, dass die Verbindung zwischen dem Buch und dem Weg durch die Beatenberger Landschaft eine heisse Spur sein könnte.
In der darauf folgenden Besprechung mit Roland Noirjean, Gemeindepräsident von Beatenberg, und Thomas Tschopp, dem Leiter von Beatenberg Tourismus, tauchte dann die Kohle auf …
Das ist eine andere Geschichte 😉
Das Projekt des Themenweges hat sich in die Idee eines „begehbaren Buches“ gewandelt. Das Buch „Urmensch-Feuer-Kochen“ erzählt auf schmackhafte Weise und angereichert mit persönlichen Erlebnissen und Kochrezepten, 17 Etappen der Menschheitsentwicklung. Die Stecknadeln in der Landschaft stehen für einen Lernraum in der Landschaft. 17 Stecknadeln, 17 Lernräume verknüpft mit den 17 Kapiteln des Buches. An den Plätzen, wo jetzt die Stecknadeln stehen, wird auf interaktive Art und Weise Wissen vermittelt und zum Handeln und Entdecken eingeladen.
Bei Fragen und Anregungen melden sie sich bitte unter info@c-werk.ch.

Wir halten sie hier auf dem Laufenden!

Christian Mulle

 

*Der Begriff des gelingenden Lebens stammt aus dem Buch „Resonanz“ von Hartmut Rosa, Suhrkamp, 2019