Neolithikum, Feuer und Tschernosem
Es ist schon eine eigenartige Geschichte mit den agrarisch gewordenen Menschen und der schwarzen Erde. Was war zuerst da? Das ist gar keine unberechtigte Frage…
Im allgemein gültigen wissenschaftlichen Verständnis gelten schwarze Tschernosem-Böden als unter kontinentalen Steppenklima, aus kalkreichen Lösserden und Überresten von Steppengräsern natürlich entstandene Erden. Unter den Bedingungen trockener, winterkalter und sommerheißer Wechsel der Witterung baut sich organisches Material sehr langsam ab und führt so zur Bildung Dauerhumus.
Besonders kohlenstoffreiche, unlösliche Anteile davon werden unter dem Begriff Humine zusammengefasst. Also jene Anteile des Humus, die der Pflanzenkohle in ihrer Funktion stark ähneln. (das C/N-Verhältnis 10-12 von Tschernosem ist praktisch ident mit der Terra Preta Amazoniens)
Doch die genauen Mechanismen, die zu dieser Art der Humifizierung führen, sind bis heute nicht vollständig geklärt. Humusforschung zu betreiben ist eben auch eine schwierige, extrem komplexe Angelegenheit. Letztendlich ist sie immer empirisch bzw. beobachtend geblieben, aufgrund der Tatsache, dass der Lebensraum Boden (Edaphon) von viel zu vielen verschiedenen Parametern (Temperatur, Nährstoffverhältnisse, Wasser, Luft, Bodenphysik, Ausgangsgestein, Licht, uvm.) beeinflusst wird. Ein Raum ständiger Auf-, Um- und Abbauprozesse, die noch dazu gleichzeitig ablaufen und speziell, wenn man bedenkt, dass schon ein Teelöffel voll Erde geschätzte 200 Meter an Pilzfäden und rund eine Milliarde verschiedenster Bakterien beherbergt. Es ist und bleibt ein großes Wunder, dieses unüberschaubare Spiel mit so vielen unterschiedlichen Mitspielern, verstandesmäßig kaum zu beherrschen.
Aber es gibt auch interessante Stimmen aus der Wissenschaft, die die Entstehung des Tschernosems dem Menschen und die Nutzung seines Verbündeten dem Feuer zuschreiben und in ihrer besonderen Schwärze zumindest teilweise einen pyrogenen Ursprung vermuten.
What does the ceramist have to do with the blacks
Dazu hätte ich auch noch ein Stück uraltes, heute christianisiertes, Brauchtumsrelikt entdeckt. Beim Nestiravo-Fest in Bulgarien tanzt man bis heute über glühende Kohlen bis sie erloschen sind, um so dieses Bündnis zwischen Menschen, Himmel, Feuer und Erde zu erneuern und so um Wohlergehen des Dorfes und Fruchtbarkeit zu bitten.
Doch dass die schwarze Erde und ihre Fruchtbarkeit andernorts immer wieder unersättliche Begehrlichkeiten hervorrief, zieht sich wie ein roter Faden durch eine langandauernde eurasische Geschichte und die unzähligen Lebensgeschichten der Menschen, die auf ihr lebten und leben.
Dazu ein Song der ukrainischen Band Dakh Daughters
Franz Schweinberger
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